Um jeden Ort eine bunt gemischte Obstwiese wäre toll

Alte Obstwiesen haben, im Gegensatz zu den Obstplantagen, noch eine Ausstrahlung.
Auf den Obstwiesen stehen die Hochstämme der verschiedenen Obstsorten in größeren Abständen und unterschiedlichem Alter. Allein wegen ihrer Größe werden sie fast nie mit Gift gespritzt. Früher gehörten sie zur üblichen Ortseingrünung. Im ländlichen Bereich waren viele Obstwiesen gleichzeitig Heuwiese oder Pferde- und Kuhweide. Hierdurch war eine Mehrfachnutzung der Flächen möglich. Die Hochstämme spenden den Weidetieren außerdem Schutz vor Sonne und Niederschlag. Wie sehr z.B. Pferde auch die Früchte schätzen, konnte Tom am Fototag feststellen. In Hoppers erbettelte das Pferd von ihm für das Passieren der Weide nachdrücklich einen Apfelzoll.

Leider sind in den 50er und 60er Jahren die meisten alten Obstbäume sogar mit staatlichen Prämien gerodet worden. Weil sich die Früchte der Obstwiesen in Gewicht und Aussehen nicht nach EU-Normen richten, lässt sich das Obst der wenigen verbliebenen Obstwiesen schlecht vermarkten. Da außerdem die Ernte von Hochstammsorten mühseliger ist als von Niedrigstämmen der Obstplantagen, sind viele Bäume gefällt worden. Von den ehemals über 2700 Apfelsorten Mitteleuropas sind nur noch 60 Sorten im deutschen Handel. Alte schmackhafte, frost- und krankheitsresistente und standorttypische Sorten, die als Tafel-, Lager- oder Kuchenapfel gezüchtet wurden, oder die sich besonders für die Mus-, Saft- oder Mostherstellung eignen, mussten dem Einheitsgeschmack weichen. „Ich esse lieber einen fleckigen Apfel vom knorrigen Apfelbaum als einen glänzenden und gespritzten, weil die gespritzten nicht gerade gesund sind. Die Äpfel von den alten Obstbäumen schmecken eh besser“, meint Tom und ergänzt: „am Liebsten mag ich die Äpfel aber im Kuchen oder als Apfelmus. Und wenn ich richtig Durst habe, löscht Apfelschorle meinen Durst am Besten“.

Heute gehören Streuobstwiesen zu den am stärksten gefährdeten Biotopen Mitteleuropas. Viele alte Obstsorten gelten als verschollen oder ausgestorben. Seit einigen Jahren hat auch der Staat erkannt, dass die Abholzkampagne ein Fehler war. Mit staatlicher Unterstützung werden nun Obstwiesen neu gepflanzt und Samenbänke der alten Obstsorten angelegt, denn sie sind für Neuzüchtungen ein unschätzbares Genreservoir. Der Wettlauf mit der Zeit hat begonnen, denn die letzten noch vorhandenen, alten Sorten können in der Zwischenzeit unerkannt absterben oder gefällt werden.
Wie Tom auf seiner Suche festgestellt hat, gibt es auch in Jüchen nicht mehr viele alte Obstwiesen. Die wenigen alten Obstwiesen verkümmern immer mehr, weil die Bäume gefällt werden, abgestorbene Obstsorten nicht nachgepflanzt werden, die Obstbäume nicht gepflegt werden oder weil ein Schutz der Stämme vor den Weidetieren fehlt.

Damit der Wert der alten Obstwiesen wieder richtig geschätzt wird, hat der Kreis-BUND mit dem Saftmobil eine Initiative gestartet, die es Privatleuten ermöglicht, ihr ungespritztes Obst von Obstwiesen und aus Gärten zu Saft pressen lassen. In Jüchen gibt es mittlerweile seit drei Jahren auf dem Biobauernhof in Neuenhoven im Herbst die Safttage mit dem Saftmobil.
Auch die BUNDSpechte unterstützen die Anpflanzung alter Obstsorten. Aus ihrem Projekt „Handys für mehr Grün in Jüchen“ haben sie alte Apfelbaumsorten gekauft und in den Grundschulen gepflanzt, wie den Rheinischen Bohnapfel oder die Schafsnase.
Erfreulicherweise sind auch auf den ökologischen Ausgleichsflächen von der Gemeinde neue Obstwiesen angelegt worden. Hier wachsen wichtige Lebensräume heran, denn in den großen Laubkronen können etwa 3000 Tierarten gezählt werden, von denen die Insektenarten die größte Gruppe bilden. Die Hochstämme bieten zahllosen Tieren Nahrung, Brutmöglichkeiten und Unterschlupf, was in Obstplantagen niemals möglich wäre. Vögel oder Eichhörnchen bauen hier Nester, Bienen, Schmetterlinge und Käfer besuchen die Blüten, Käfer, Spinnen und Raupen leben auf den Blätter, am Stamm wachsen Flechten. Kurzum: ein ausgewachsener Obstbaum brummt vor Lebendigkeit. Und wenn dann ein Obstbaum alt und knorrig geworden ist, und die ersten Höhlen entstehen, haben Meisen, Fledermäuse, Spechte, Eulen und der Steinkauz die Chance, eine schöne Bruthöhle zu beziehen.

Tom fände es toll, wenn innerhalb der Orte und um die Ortschaften in Jüchen mehr Obstwiesen mit möglichst verschiedenen Obstsorten stehen würden, denn sie sehen besonders im Frühjahr und Sommer schön aus, wenn sie in Blüte stehen und wenn sie Früchte tragen. Sie schmücken den Ort aber nicht nur, sondern schützen ihn auch vor Wind und Kälte, eine wichtige Eigenschaft in Zeiten der Klimaveränderung.
Auf solchen Dorfobstwiesen könnte dann jeder mal an Kirschen naschen, mal ein paar Früchte für den Apfel- oder Pflaumenkuchen oder für Apfelsaft ernten oder nur mal im Vorbeigehen einen Apfel oder eine Birne zum Reinbeißen pflücken.



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