Totholz: „abgestorben“, aber voller Leben!

Für die Serie „Geliebte Wildnis“ hat Esther etwas zunächst Kurioses gefunden: Totholz ist zwar abgestorben, aber auf den zweiten Blick voller Leben! Und solche wertvollen Naturelemente kann man auch in Jüchen finden: abgestorbene Bäume, die nicht direkt abgesägt und beseitigt werden!

Zu einem naturnahen Wald gehört selbstverständlich auch das stehende oder liegende Totholz, meist von Moosen und Pilzen überzogen. Dass Bäume aus Altersgründen sterben, ist in unserer Gegend höchst unwahrscheinlich, denn mit waldähnlichen Strukturen ist Jüchen nicht gerade gesegnet. Gerade mal 1% Waldfläche besitzt Jüchen als die waldärmste Gemeinde in einem der waldärmsten Kreise Deutschlands. Da sollte man meinen, dass der Wert der wenigen vorhandenen Bäume besonders geschätzt wird und sie so lange wie möglich gehegt und gepflegt werden. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Auch einzelne größere und ältere Bäume sind in Jüchen Raritäten. In den Gärten und öffentlichen Anlagen stehen überwiegend kleinere und jüngere Bäume. Lange bevor sie zumindest ihr mittleres Alter erreichen, werden sie schon wieder gefällt.
Auch wenn Bäume vorzeitig durch Krankheiten, Feuer oder Blitz absterben, bleiben sie nicht stehen, sondern werden sofort gefällt und beseitigt. Dies geschieht zum Einen aus Sorge um die Sicherheit von Menschen, weil fallende Äste oder ein kippender Stamm Personen verletzen könnten. In den meisten Fällen ist aber ein falsch verstandener Ordnungssinn der Grund, denn auch anderes Totholz wird aus Gärten und Anlagen sofort beseitigt.
Dabei ist Totholz wertvoller Lebensraum, auf den viele tausende Pflanzen-, Pilz- und Tierarten angewiesen sind. Viele dieser Pflanzen- und Tierarten stehen sogar auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Sie haben sich auf bestimmte Zersetzungszustände des Holzes spezialisiert, und bauen über viele Zwischenschritte das Holz so weit ab, bis Humus und Mineralien dem Boden wieder zur Verfügung stehen oder leben von speziellen Totholz-Zersetzern.
Auf einem abgestorbenen Baum entwickelt sich eine Lebensgemeinschaft, bei der zahlreiche Tiere, Pflanzen, Pilze und Algen in einem komplizierten Abhängigkeitsverhältnis stehen. So besiedeln z.B. Pilze, Algen und Moose den abgestorbenen Baum; von den Pilzen leben bestimmte Insekten, die wiederum Nahrung für andere Insekten sind; diese Insekten werden dann z.B. von Vögel gefressen. So lebt auch der Namensgeber der Umweltjugendgruppe, der Buntspecht von Insekten unter der Borke abgestorbener Bäume. Ohne Totholz fehlt ihm die Nahrungsgrundlage.
Doch das abgestorbene Holz ist nicht nur Nahrung für verschiedene Spezialisten. Das Totholz ist auch Brutort und Unterschlupf. So zimmert der Specht in totes Holz Höhlen, die von vielen Tieren dann als Nachmieter genutzt werden, wie von Meisen, Eulen, Siebenschläfer, Fledermäusen und Hornissen.

Weil es so wenig Totholz gibt, können Ersatzlebensräume helfen, zumindest den Mangel an Brutort und Unterschlupf zu ersetzen. So haben die BUNDSpechte auch schon Nistkästen für Meisen, Fledermauskästen und Steinkauzröhren gebaut, sowie Insekten-Nistwände für Wildbienen und Wildwespen, indem sie Brutgänge in Holzscheiben gebohrt haben.
Doch diese Ersatzlebensräume können niemals die Nahrungsgrundlage des Totholzes ersetzen.

Deswegen bittet Esther und die BUNDSpechte alle Jüchener darum, abgestorbene Bäume so lange wie möglich stehen zu lassen. Dabei kann der Anblick eines abgestorbenen Baumes mit dem glatten, borkenfreien Stamm sogar noch eine künstlerisch interessante Bereicherung im Garten sein.
Falls die Gefahr besteht, dass abbrechende Äste Personen verletzen könnten, kann man diese Äste ruhig weit genug zurückschneiden. Ein abgestorbener Baum kann so noch viele Jahre stehen, bevor er irgendwann umfällt oder umgelegt wird und zum liegenden Totholz und schließlich zum modernden Holz wird. Und jeder dieser Phasen ist wiederum eine wertvolle Lebensgrundlage für unzählige Tiere und Pflanzen.
Aber auch das „kleine Totholz“, das in jedem Garten anfällt, ist wertvoll: ein abgebrochener Ast, Reisig oder ein alter Baumstumpf. Mit diesem Totholz kann jeder Gartenbesitzer vielen Tieren und Pflanzen einen Lebensraum schenken, wenn es liegen bleibt.

Totholz beim Abbau zu beobachten, kann eine spannende Entdeckung sein und zur „Geliebten Wildnis“ werden!

 



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