Natur macht keinen Müll

Selbst wenn Pflanzen abgestorben sind, werden sie nicht zu Müll. Sie behalten ihren hohen Wert für die Natur, weil Pflanzen-Bestandteile vollständig recycelt werden können. Der Humus, der als Recycling-Endprodukt entsteht, enthält den ganzen Nährstoffreichtum, den Pflanzen für ein erneutes Wachstum brauchen. Ein idealer Kreislauf!

Wie gut dieser Auf- und Abbau in der Natur eingerichtet ist, zeigt sich am Nutzen für alle beteiligten Lebewesen. Bei jedem Abbauschritt sind Käfer, Asseln und Regenwürmer sowie Pilze beteiligt, für die genau eine der Zersetzungsstufe die optimale Nahrung darstellt. Gleichzeitig bereiten sie die weitere, noch feinere Zerlegung für die nächsten Spezialisten vor. Dieser Abbauprozess läuft in jedem Waldboden ab, ebenso in jedem Gartenkompost.

Fallen im Garten gröbere Pflanzenteile an, wie Reisig und Holzstücke, können diese gehäckselt werden und so auf dem Kompost schneller abgebaut werden. Das Häckselgut kann aber auch als Mulchmaterial unter Sträucher ausgebracht werden und so den Boden schützen. Die Nährstoffe werden dann beim Zersetzen langsam an den Boden abgegeben.

Doch es gibt noch eine weitere Möglichkeit, die einen zusätzlichen Nutzen für die Tiere bietet.

Lässt man Reisig, Holzstücke und Wurzelstubben als Totholzhaufen liegen, kommt es auch hier zum langsamen Abbauprozess. Da die holzzersetzenden Tiere zahlreich sind, locken sie wiederum Amphibien, Kriechtiere, Vögel und Säuger an, denen sie als Nahrung dienen. Bleiben Äste, Stängel und Holzstücke liegen, können die seltenen Wildbienen- und Wildwespen in den Gängen der holzbohrenden Käfer und im Mark der verrottenden Pflanzenstängel ihre Eier ablegen.

Gleichzeitig dienen diese Reisighaufen und Holzstapel wegen der vielen Hohlräume Tieren als Unterschlupf, Überwinterungsort und Brutstätte. Ist der Reisighaufen noch von Brombeeren oder Rosen bewachsen, gewinnt er (außer einem schönen Blüten- und Früchteschmuck) für die untergeschlüpften Tiere noch einen zusätzlichen Wert, denn die schmalen Hohlräume sind für Fuchs und Katze nicht durchlässig. So sind brütende Rotkehlchen und Zaunkönige sicher, wie auch Jungvögel, die gerade flügge geworden sind und noch unsicher auf dem Boden herumhüpfen. Beim Warten auf die fütternden Eltern bietet der Reisighaufen Schutz. Igel und Kröten finden hier einen sicheren Platz für den Winterschlaf.

Die Anlage eines Reisighaufen wird in der freien Natur gezielt genutzt, um Wildhecken preisgünstig und natürlich entstehen zu lassen. Bei diesen „Benjeshecke“ erwartet man eine natürliche Aussaat von Sträuchern durch Vögel, die Früchte in den Reisighaufen bringen. Früchte, Samen oder Kerne fallen auf den Boden und können dort geschützt vor Fressfeinden wachsen. Während der Reisighaufen immer mehr abgebaut wird und zerfällt, wachsen die Sträucher über den Reisighaufen hinaus, bis sie eine Größe erreicht haben, in der sie sicher vor Fraßschäden sind.

Weil der Reisighaufen aber ein so vielfältig bewohnter Lebensraum ist, braucht er besondere Rücksichtnahme. Besonders während der Brutzeit sollte ein Reisighaufen nicht gestört werden. Im Winter ist auch im unteren Bereich die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich hier Tiere zur Überwinterung eingegraben und versteckt haben. Muss ein Reisighaufen trotzdem einmal dringend versetzt werden, sollte dies immer sehr vorsichtig erfolgen, möglichst nach der Brutzeit und vor dem Kälteeinbruch.

Tödlich ist das Abbrennen eines schon länger aufgeschichteten Reisighaufens als Oster-, Martins- oder Kartoffelfeuer, denn hier haben sich während der Lagerzeit meistens viele Tiere eingefunden. Zur Zeit der Osterfeuer beziehen Vögel den Reisighaufen in kurzer Zeit als optimalen Brutort. Die Weibchen flüchten dann auch nicht bei Störungen, um das Nest nicht zu verraten, und gehen genauso jämmerlich in den Flammen um wie die Tiere, die sich in kühlen Herbstnächten zur Überwinterung in den Reisighaufen zurückgezogen haben. In der Dunkelheit flüchten Tagtiere bei Störungen nicht, sondern versuchen sich nur zu verbergen. Deswegen sollte bei traditionellen Feuern nur ganz frisch aufgestapeltes Holz und Reisig verwendet werden.

Leider werden Reisighaufen und Totholzstapel von vielen Menschen als nutzlos eingeschätzt. Ihr Wert erschließt sich oft erst bei genauerem Hinsehen und durch Informationen über die Zusammenhänge. Nur weil sie auf den ersten Blick ungeordnet aussehen, haben sie nichts mit Müll zu tun. Schlimm wird es, wenn sie sogar als wilde Müllkippe missbraucht werden.

Weil diese Reisig- und Holzstapel so wertvoll sind, wäre es schön, wenn in der Gemeinde auf möglichst vielen ökologischen Flächenen Reisighaufen angelegt werden. Alle Gartenbesitzer bitte ich, in einer Ecke des Gartens auch einen solchen wertvollen Lebensraum anzulegen. Wer dabei statt auf Reisig oder Holz lieber auf Blüten guckt, kann beides miteinander verbinden und eine breite Auswahl an Pflanzen wie Brombeeren, Efeu, Rosen, Jelängerjelieber, Winden und Wicken davor pflanzen.

 



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